Physiotherapie Schweiz – Tarif 311
Edit: 19.2.2016// Rückwirkend auf den 1.1.2016 sind alle Tarife wieder gleich. CSS und HSK passen die Tarife bei ASPI und physioswiss an.
Immer wieder hört man vom Tarif-Streit, dessen Ziele der Therapeuten noch lange nicht erreicht sind. Die CSS veröffentlichte unlängst ein Gespräch mit Physiotherapeut Peter Ziegler aus Altdorf. Nach dem Lesen dieser Zeilen hat sich unser Leser erbost und seine Meinung kund getan. Wir haben diese Zeilen etwas angepasst, da einige Äusserungen wohl nicht veröffentlicht werden sollten. Ein Änderung/Lösung ist mit Stand 18.12.2015 auch im Jahr 2016 nicht in Sicht. Vielmehr haben sich die Therapeuten/Innen an das 3/Tarif System angepasst bzw. sich gebeugt.
Vorwort:
Es ist unbestritten, dass die Leistungen der Physiotherapie in unserer Welt nicht mehr wegzudenken ist. Was die Physiotherapie allein an Kosten spart, für nicht nötige Operationen, am ganzen menschlichen Bewegungsapparat, wäre bereits eine faire Bezahlung dieser Leistungen wert. Das unzählige Patienten schon nach wenigen Behandlungen wieder eine weniger eingeschränkte Bewegungsfreiheit geniessen, ohne Schmerzen wieder ihrer Arbeit nach gehen können, ist ein weiterer unschätzbarer Wert der aber kaum Beachtung erlangt. Das diese Leistungen seit 1996 (oder länger) keine Preis/Tarif Anpassung erfahren hat, bedeutet das der Physiotherapeut alleine durch die Teuerung bedingte Abwertung 24,7% weniger verdient als 1996. Dazu kommen die gestiegenen Mietpreise, die höheren Kosten von Geräten, Versicherungen und so weiter.
Die Abspaltung der HSK von der SantéSuisse, die eigenen Wege der CSS und so weiter, haben Therapeuten/Therapeutin müde gemacht. Selbst solche die den langen Weg zusammen mit physioswiss und ASPI gegangen sind, haben aufgegeben an eine „Gesamtlösung“ zu glauben. Viele möchten einfach ihre Arbeit tun und viele machen dies auch mehr als gut.
Viele Therapeuten und Therapeutinnen beklagen indes, dass es in ihrem Berufszweig immer mehr „Faule“ TP’s gäbe, die nach der Ausbildung wirklich nur noch das nötigste tun um ihre Praxis am laufen zu halten. Wieder andere opfern unzählige Stunden/Tage/Wochen für ihre Weiter und Fortbildung, die gerade in der Physiotherapie von grossem Nutzen sei. Auf diesen Zug sind auch die Versicher gesprungen, die einem „fairen“ Tarif nicht einfach so einen Freipass geben möchten.
Die Software – Anbieter haben eine Lösung „gebastelt“ damit man Abrechnen kann, mit ein bisschen Mehraufwand lässt sich nun alles abrechnen, ob mit Patient oder direkt an Kasse.
Viele TP’s mussten sich mit neuen Begriffen wie XML, EAN oder doch GLN, Sumex etc. herumschlagen, mit Trust-Center xx, MediData oder Ärztekasse. Es gibt aber nun Gemeinschaftspraxen die für die gleiche Leistung 3 verschiedene Tarife zur Berechnung nehmen müssen. Vater A der zu TP A (ASPI) geht bezahlt also eventuell mehr als Mutter B die bei TP B (physioswiss) in Behandlung ist. Ebenso kann eine Rechnung variieren wenn sie an Intras (CSS) geht oder an Assura.
Therapie Plus ist sicher das beliebteste Programm für die Physiotherapie. Hier kann der TP alle administrativen arbeiten weitergeben. Physwin ist für die Praxen gedacht, die so einfach wie möglich (3 Klick und die Leistung ist verbucht) arbeiten möchten, aber die Abrechnungen im eigenen Hause kontrollieren und senden möchten.
RunMyPhysio (als Online-Lösung) ist eine weitere Option. Es gibt (Stand 20.12.2015) nun wieder unzählige Lösungen die alle Optionen zum neuen elektronischen Abrechnen mehr oder weniger erfüllen.
Der Leserbrief in die dritte Person gesetzt.
Die Physiotherapie gleich um die Ecke, hat bis vor kurzem ihre Abrechnung noch mit Excel gemacht, 95% waren eh normale „9 Besuche Abrechnungen“. Verordnung kopiert in die KG gelegt und Abrechnung/Verordnung mit der Post an die Kasse (ganz selten an den Patienten). Am Wochenende sass man dann noch Stunden an den anderen 5%. Google Kalender diente dabei für die Agenda. Aufwand für Software gleich 0, denn Excel und Word hat man eh. Administrativer Aufwand – Überschaubar. Er ist Mitglied bei der physioswiss. Diese einigte sich mit den Kassen vor längerer Zeit auf einen etwas angepassten Tarif. Aber auch hier nicht mit allen.
Neu Software muss her!
Er musste sich in den Ferien 2014 für eine Software umsehen. Da es für die Physios viele gibt, gar keine so leichte Aufgabe. Die eine unterstützt keine Online-Agenda, die andere war nur Online, aber sehr teuer, andere wollten 2% vom Umsatz usw. Dass er sich am Schluss für Programm XX entschied, war eher zufällig, weil einige seiner Berufskollegen dieses benutzen. Ist aber hier auch nicht von Bedeutung.
Neue Hardware muss her!
Mit den neuen Formularen und der Möglichkeit der elektronischen Übergabe, musste er sich einen neuen Drucker/Scanner anschaffen, da er zwei Schächte benötigt, wenn er dann eine Rechnung ausdrucken muss. Ein CardReader und damit eine Anmeldung bei CoverCard wurde empfohlen. So eine Anmeldung bei HIN wiederum nötig wurde. Für die Terminkarten wäre ein LabelPrinter mit den speziellen Karten von Vorteil. Der Notebook mit Windows XP genügte auch nicht mehr. Ein kleines Möbel musste her, da der neue Drucker keinen Platz mehr hatte auf dem Tresen. Das alles angeschlossen werden muss, natürlich die Kabel zu kurz waren, man nun permanent Internet benötigt waren weitere Stolpersteine. Für das neue Programm wollte er eine Schulung, dies war wohl möglich aber nur via Remote, Vorort sei dies zu teuer. Dies war noch vor der Bestellung der Software ganz anders… Oder doch nicht?
Mein Budget weit überschossen!
Langer Rede, teurer Sinn… Im Dezember 2014 war er bereit, seine Arbeit als Physiotherapeut nach den neuen Vorgaben zu verrechnen, sein Konto ist 11’421.35 geschrumpft. Dazu kommen nun jährliche Belastungen von 650.- (Plus eventuelle Anpassungen und Updates) fürs Programm, fast 300.- für eine E-Mail Adresse bei HIN die er nie benutzen wird und so weiter. Etiketten und Formulare sind weitere feste Kosten die ihn begleiten werden. Er besitzt nun den hässlichsten braunen Kartenleser der Welt, teuer für 160 Franken bezahlt, der dann, so Gott will, auch den Magnetstreifen liest. Er muss sich mit dem dümmsten System der letzten 25 Jahre, Windows 8 herumschlagen, weil es kein Windows 7 mehr gab. Aber für ein paar Franken, hat der „Systemler“ gesagt, könne er ihm Tools aufspielen, so dass er gar nicht merke dass er mit Windows 8 arbeiten müsse.
Keine Ferien 2015!
In den Ski-Ferien im Januar 2015, die er dieses Jahr Zuhause in Basel verbringt und an den lustigen Abenden seiner Freunde in der Lenzerheide nur mental teil nimmt. fragt es sich… Für was dass alles? Dabei liest er den Brief vom Dezember nochmals, wo ihm die physioswiss mitteilt, dass ab 1.1.2015 alles nun geregelt sei, zumindest mit den Kassen XX. Der Softwareanbieter meldete ebenfalls, dass es eine kleine Anpassung vor den ersten Abrechnungen 2015 geben werde. Da nicht Systembedingt, mit Kostenfolge.
Ab Oktober 2021 wieder den gleichen Lohn
Er rechnet mal ganz leise nach, was ihm das alles bringt. In 6 Jahren und 4 Monaten, wird er die Unkosten wieder erarbeitet haben die ihm durch die etwas höheren Vergütungen zustehen. Ab dann wird ihm wieder ähnlich viel bleiben wir 2005 als er seine Praxis in Basel eröffnete. War das Ziel der Tarif-Verhandlungen nicht ein anderes?
Gerne würde der Leser hier Zahlen veröffentlichen, die wir hier aber mit seinem Schlusswort abschliessen möchten.
„Mit meinem 10 bis 11 Stunden Tag, mit Wochenend-Einsätzen, unbezahlten Weiterbildungen usw. bleibt mir als Physiotherapeut gleich viel, wie wenn ich bei der Stadt-Basel in der Verwaltung tätig wäre und nach gut 8 Stunden Tageseinsatz am Freitag in das verdiente Wochenende gehe bei bezahlten 5 bis 6 Wochen Ferien.“
Sein Schrei in die Nacht verhalte ungehört…
CSS spricht mit einer Praxis aus der Innerschweiz >>>
Hier meint der angesprochene Physiotherapeut: (Quelle CSS)
Das unflexible Vergütungssystem werde auch den Qualitätsansprüchen einzelner Physiotherapeuten nicht gerecht. «Ein Physiotherapeut, der sich laufend fortbildet und dadurch auf eine breitere Palette an Behandlungsmethoden zurückgreifen kann, verdient gleich viel wie jener, der sein Wissen lediglich im Rahmen der minimal erwarteten Ausbildungstage erweitert.» Das gehe langfristig auf Kosten der Qualität. Es sei deshalb der falsche Weg, in dieser verworrenen Situation Stimmung gegen die Krankenversicherer zu machen. «Wir müssen den Krankenversicherern und der Gesellschaft vielmehr zeigen, dass unsere Arbeit mehr wert ist», so Peter Ziegler.
und wird weiter zitiert:
Er hofft, dass der vertragslose Zustand bald der Vergangenheit angehört, sonst müsse man sich längerfristig Sorgen um die Zukunft des Berufsstandes machen. Gerade wegen der Einkommenssituation kommt es schon heute immer wieder vor, dass Physiotherapeuten dem Beruf den Rücken kehren.
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